Sichtbar und zugleich unsichtbar

Das ist die Definition des „Arbeitsverhaltens“ meiner Assistenten im Alltag, damit ich trotz vorhandener Sprachbehinderung in der Gesellschaft die größte Teilhabe erhalten kann.

Da ich leider auch schon öfter die Erfahrung machen musste, dass Assistenz auch deutlich sichtbar werden kann, habe ich eine Art „Verhaltenscodex für meine Assistenten“ geschrieben. Darin nutze ich Fallbeispiele, die ich im Alltag erlebt habe, um zu zeigen, was zukünftig nicht mehr passieren „sollte.

Dieser Verhaltenscodex wurde von und für Antonio Florio erstellt!

Es ist mir ein sehr großes Anliegen deutlich zu machen, dass dies MEIN Verhaltenskodex ist, der auf mich, mein Leben und meine Assistenz zugeschnitten ist. Er ist auf andere Menschen mit Behinderung aus meiner Sicht nur bedingt übertragbar.

Hier ein kleiner Auszug aus meinem Verhaltenscodex:

Sprache ist Macht – wer sprechen kann ist klar im Vorteil!Assistenz zieht mir den Sakko an

Damit ich mein Leben in jeglicher Situation umsetzen kann, ist es erforderlich, dass die Assistenz Zurückhaltung und Neutralität als Kern der Arbeit sieht und akzeptiert.
Meine körperliche Einschränkung muss die Assistenz durch seine Arme und Beine ausgleichen.

Um meine Sprachbehinderung auszugleichen, muss die Assistenz die eigene Persönlichkeit“ weitgehend „zurückhalten/aufgeben“.
Die eigene Persönlichkeit zurück zu halten, steht natürlich im Widerspruch jeglicher Erziehung, da man als Kind gelernt hat, stets selbstständig zu handeln und zu denken.

Folgende Beispiele
Die Auswahl meiner Kleidung:
Die Assistenz hat nicht die Aufgabe, mich bei der Wahl meiner Kleidung auf das entsprechende Wetter hinzuweisen. Es ist zwar eine schöne Geste, allerdings beginnt hier schon eine unbewusste Übernahme von Verantwortung, die von mir nicht erwünscht ist.

Einkäufe mit Assistenz:
Assistenz wird sichtbar, durch das Schieben des Einkaufswagens bzw. durch Schieben meines Rollstuhls.

Nach Anweisung werden Einkäufe in den Einkaufswagen gelegt. Durch diese Handlung wird die Assistenz sichtbar. In solchen Momenten kann die Assistenz durch fremde Personen angesprochen werden. Die Aufgabe der Assistenz ist nun abzuwägen, ob eine direkte kurze und höfliche Antwort angebracht ist, oder ob sie die Anfrage an mich weiterleitet und in die „unsichtbar-Rolle“ wechselt.

Beispiele:

  • „Wissen Sie, wo die Bananen liegen“?

Sichtbar-Rolle: Kurze und höfliche Antwort, ohne zu sehr in die aktive Rolle zu kommen.

  • „Welche Behinderung hat der Rollstuhlfahrer“?

Unsichtbar-Rolle: Die Frage höflich an mich weiterleiten und mich bei eventuellen Verständigungsproblemen sachlich unterstützen, in dem man meine Sätze mit meinen Worten wiederholt.

  • Bestellungen, beispielsweise beim Bäcker, müssen sachlich und neutral geschehen. Die „Vermittler-Rolle“ muss sich herauskristallisieren. Flapsige Bemerkungen, welche man bei einem Privateinkauf gedankenlos macht, sind in der Assistenzrolle nicht erwünscht, da man sich so unbewusst in den Vordergrund stellt. Bei eventuellen Nachfragen bezüglich der Bestellung muss die Assistenz abwarten, bis meine Antwort erfolgt ist, um dann diese gegebenenfalls nochmals deutlich zu wiederholen.
    Nur so ist es für mich möglich, aktiv an der Gesellschaft teilzunehmen und meine Belange, in diesem Fall sind das meine Einkäufe, in eigener Regie zu erledigen.

In meinem „Arbeitsverhältnis“ mit meinen Assistenten unterscheide ich zwischen dem Umgang in der Öffentlichkeit und der Umgang im Privatbereich.
Im der Öffentlichkeit erwarte ich von meinen Assistenten, dass sie den Verhaltenscodex so gut wie möglich umsetzen. Nur so ist es für mich möglich, meine Sprachbehinderung annähernd auszugleichen.

Im Privatbereich ist es für alle Beteiligen wichtig, dass eine gewisse Lockerheit herrscht, dass wir uns austauschen und manchmal auch über Privatangelegenheiten reden, die einen bewegen.
Die richtige Mischung hierfür zu finden ist nicht einfach und die Kommunikation ist dabei das wichtigste Kriterium, um diesen Spagat zwischen Öffentlichkeit und Privatbereich gemeinsam zu bewältigen.